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Stolpersteine gegen das Vergessen

Am 16. Juli wurden in der Stadt zum dritten Mal Stolpersteine als Erinnerung an während der NS-Zeit deportierte und ermordete jüdische Forchheimer*innen verlegt. Für Ida Schönberger wurde ein Stein vor dem Haus in der Hauptstraße 45 und für das Ehepaar Jenny und Leo Abraham in der Hauptstraße 65 feierlich in den Boden eingelassen. Organisiert wurde die Verlegung wie schon in den Jahren 2018 und 2019 vom Netzwerk für Respekt und Toleranz. Die Biografien und persönlichen Hintergründe zu Ida, Jenny und Leo wurden in diesem Jahr von Schüler*innen der Georg-Hartmann-Realschule recherchiert. Unterstützt wurden Sie dabei maßgeblich von ihren Lehrkräften, von Rolf Kießling als ausgewiesenen Experten der jüdischen Geschichte Forchheims und natürlich von Rainer Kestler als Stadtarchivar. Als Oberbürgermeister und Schirmherr bedanke ich mich im Namen der Stadt bei allen Beteiligten für Ihr großes Engagement in dieser Sache.

Portrait von Dr. Uwe Kirschstein, Oberbürgermeister der Stadt Forchheim

 

So lange, wie wir uns an Menschen, Ereignisse, Bewegungen oder auch Ideen erinnern, werden diese niemals ganz sterben und können uns jederzeit gleichermaßen als Mahnung oder Inspiration dienen. Der Mensch kann nur aus der Geschichte lernen, die er kennt. Und genau aus diesem Grund wird in allen Gesellschaften so hart und unerbittlich darüber gestritten, an was man sich erinnern soll und wie dieses Erinnern zu erfolgen hat. Im Umkehrschluss wird damit natürlich auch die Frage verhandelt, wer oder was von einer Gesellschaft besser vergessen werden soll. Wer sich durchsetzt in einem solchen Streit, erlangt die Deutungshoheit über Geschichte, um so deren weiteren Verlauf zu beeinflussen.

Immer wurden Denkmäler und Bilder im öffentlichen Raum von Gesellschaften geschaffen und von diesen auch wieder zerstört. Bilderstürme gab es im alten Ägypten, während der Reformationszeit oder nach dem Zusammenbruch der DDR. Doch es gibt sie auch heute wieder. Der Tod des Afroamerikaners George Floyd während einer brutalen Polizeifestnahme am 25. Mai diesen Jahres in Minneapolis / USA hat weltweit die Menschen erschüttert. Es war nicht das erste Ereignis dieser Art und hat leider wieder gezeigt, dass es in vielen Gesellschaften dieser Welt ein tiefsitzendes und weitverbreitetes Problem mit Rassismus gibt. Der Fall George Floyd und die weltweite Reaktion darauf zeigen aber auch, dass sich bei einer kritischen Masse an Menschen die Einstellung zu rassistischen Handlungen, Aussagen, Denkmustern und Geschichtskonstruktionen zu verändern scheint. Offensichtlich sind immer mehr Menschen dazu bereit, über Rassismus nachzudenken, sich selbst zu hinterfragen und sogar einzugestehen, dass ihre Vorfahren oder sie selbst zu den Profiteuren von Rassismus gehörten und gehören. Die einen wollen keine Opfer, die anderen keine Täter mehr sein. Wenn heute überall auf der Welt Denkmäler von ihren Sockeln gestürzt und U-Bahn Stationen umbenannt werden, wenn sich Hunderttausende auf den Straßen und in Stadien solidarisieren, dann gibt es Hoffnung, dass sich Werte und Moral unserer Gesellschaften dahingehend verändert haben, dass eine Einteilung von Menschen in verschiedene Wertkategorien nicht mehr akzeptiert wird.

Für Ida Schönberger sowie für Jenny und Leo Abraham kommt dieser Wandel zu spät. Ihre und die anderen Stolpersteine zeigen aber, dass sich auch in Forchheim bei Geschichtsdeutung und offiziellem Erinnern etwas verändert hat. Und das ist gut so.

Ihr

Dr. Uwe Kirschstein
Oberbürgermeister