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Sonderausstellung im Pfalzmuseum: Von Hundefressern und Zwiebeltretern

Seine Nachbarn zu verspotten ist nicht unbedingt ein feiner Wesenszug, dies hat sich aber in zahlreichen „Spitznamen“ fränkischer Orte überliefert. Mit einer Sonderausstellung widmet sich das Pfalzmuseum Forchheim vom Freitag, den 24. September bis zum Sonntag, den 31. Oktober 2021 (Dienstag bis Sonntag 10:00 bis 17:00 Uhr, Eintritt 5 Euro) den „Zungenausreißern“, „Mauerscheißern“, „Hungerleidern“ oder „Wasserpolacken“ – beinahe jede Stadt und jedes Dorf hat einen bitterbösen Spitznamen abbekommen.

Aus einem Fundus von weit über 3.000 solcher typisch fränkischen Verunglimpfungen haben sich die Ansbacher Künstlerin Kerstin Himmler und der Coburger Autor Martin Droschke die prächtigsten Exemplare herausgegriffen, um zugleich visuell mit der Kunst der Collage und mit einer spitzzüngigen Feder den Geschichten dahinter auf den Grund zu gehen. Kuratiert wurde die Ausstellung von Ulrike Götz.

Humor ist gefragt für diese Streifzüge auf die böse Seite der fränkischen Gemütlichkeit. Denn dem Volksmund wird eine ungeheuerliche Kreativität attestiert, wenn es darum geht, komplexe historische Sachverhalte in nur einem Wort zu komprimieren – und sie zugleich mit einer zeitlosen Nachhaltigkeit auszustatten. 400 Jahre nach ihrer Entstehung haben die „Tümpelschöpfer“ (Lichtenfels) noch die „Flaggn“ (Herzogenaurach) nichts von ihrer schmerzenden Treffsicherheit verloren.

So verweist etwa die Verunglimpfung der Forchheimer*innen als „Mauerscheißer“ nicht allein auf jene Schnitzfiguren am alten Rathaus, die den Passant*innen den blanken Hintern entgegen strecken. Für "Von Hundefressern und Zwiebeltretern", sein Buch über fränkische Ortsschimpfnamen, das 2019 im Emons Verlag, Köln, erschien, hat Martin Droschke recherchiert, dass es sich bei dieser frivolen Geste um einen mittelalterlichen Abwehrzauber gegen das Böse handelt.

Der Volksmund der Nachbarn griff die ins Stadtbild eingeschriebenen Figuren auf, um die Forchheimer*innen mit der Erinnerung an die schlimmsten Jahre ihrer Geschichte quälen zu können, den dreißigjährigen Krieg, als mehrere Belagerungen durch die Schweden und ebenso viele Ausbrüche der Pest die Bevölkerung auf ein historisches Minimum dezimierte, obwohl sie sich hinter dicken Festungsmauern sicher glaubte. Auch der Spitzname von Ebermannstadt, „Hungerleider“, bezieht sich auf eine Belagerung im dreißigjährigen Krieg – und legt zugleich den Finger in die Wunde, dass die Bewohner des reichen Tors zur Fränkischen Schweiz einmal vor lauter Kärwa, Völlerei und Trunkenheit einen Landstreicher vergaßen, den sie ins Gefängnis geworfen hatten - wo er verhungerte.

In der Ausstellung hilft ausführliches Begleitmaterial, die Logik zu verstehen, mit der der fränkische Volksmund geographische Gegebenheiten, historische Ereignisse und natürlich auch aberwitzige Unterstellungen zu einem Ortsschimpfnamen verdichtet und nimmt die Frage der Urheberschaft genauer unter die Lupe. Dreidimensionale Arbeiten von Kerstin Himmler laden die Ausstellungsgäste ein, sich zwischen den einzelnen Reiseetappen durch ein unfeines Franken an moderner Bildhauerkunst zu weiden.

Ausgewählte Arbeiten von Kerstin Himmler können als Fine Art Print in limitierter Auflage käuflich erworben werden. Das Buch von Martin Droschke ist an der Museumskasse erhältlich.

Informationen erhalten Sie auch auf der Homepage des Pfalzmuseums Forchheim hier